JUDIT KOVÁTS
Schriftstellerin und Lektorin, ursprünglich Historikerin und Archivarin. Judit Kováts hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten – Bände, Aufsätze, Fachartikel – zum 19. Jahrhundert und innerhalb dessen zum Reformzeitalter verfasst. Darüber hinaus publizierte sie Erzählungen und Novellen in diversen ungarischen Literaturzeitschriften und auf literarischen Portalen.
Als eine engagierte Verfechterin der oral history machte sie lange Jahre Interviews mit alten Menschen zu deren Lebenswegen, die als lebendige Augenzeugen vom Krieg, der kommunistischen Diktatur, den Aussiedlungen, Zwangsarbeitslagern und der Entrechtung und Verfolgung von Minderheiten berichteten. Es ist also kein Zufall, dass sie in ihren Romanen die wenig bekannten historischen Traumata des 20. Jahrhunderts aufarbeitet, wie etwa das Schicksal ungarischer Frauen an der Front und unter russischer Besetzung (Megtagadva, 2012) oder aber die Geschichte der unter der Kollektivschuld leidenden ungarischen und deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg (Elszakítva, 2015 und Hazátlanok, 2019).
Judit Kováts hält es für wichtig, der Vergangenheit ins Auge zu blicken und sie mit ihrer Widersprüchlichkeit zu akzeptieren, zu verstehen, dass neben Heldentaten, Mut und Standhaftigkeit auch Verbrechen, Feigheit und Verrat existierten. Die Figuren ihrer Romane sind keine Helden und keine Märtyrer, es sind die kleinen Leute, die der Strom der Geschichte, zu deren Teil sie werden, unfreiwillig mit sich reißt. Die große Frage ist – wenn auch nicht immer explizit ausgesprochen – in allen drei Romanen: Hat der Mensch in einer Welt, die aus den Angeln gehoben wurde, eine Wahl?
ZSUZSA SELYEM
Zsuzsa Selyem, geboren 1967 in Târgu Mureș, Schriftstellerin und Literaturhistorikerin.
Studium an der Universität Babeş-Bolyai in Cluj-Napoca mit den Fächern Mathematik, später dann englische und ungarische Sprache und Literatur. Als Gründungsmitglied des Unsichtbaren Kollegiums in Cluj-Napoca studierte sie Literaturtheorie und Religionsphilosophie, publizierte Kritiken, Essays und literaturtheoretische Aufsätze. Jetzt lehrt sie zeitgenössische Literatur an der Universität in Cluj-Napoca.
KRISZTINA TÓTH
Krisztina Tóth geboren 1967, publiziert seit 1989, zuerst Gedichte und seit 2006 auch Prosabände. Sie war Bildhauerin, lehrt Kreatives Schreiben und übersetzt franzözische Poesie ins Ungarische. Ihr erstes deutschsprachiges Buch Strichcode (2012, Berlin Verlag) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2013 erschien im Nischen Verlag ihr Erzählband Pixel, 2015 ihr Roman Aquarium. Für Aquarium war die Autorin gemeinsam mit ihrem Übersetzer György Buda für den Internationalen Literaturpreis Berlin nominiert.
TIBOR NOÉ KISS
Tibor Noé Kiss (1976) ist Schriftstellerin, Journalistin, Redakteurin bei einer Literaturzeitschrift und lebt in Pécs. Nach dem Studium der Soziologie absolvierte sie eine Journalistenschule. Sie organisierte unter anderem kulturelle Veranstaltungsreihen, führte Meinungsumfragen durch, jobbte als Zeitungsausträgerin und Fußballtrainerin für Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Ihr erster Roman Inkognito, ihr Bekenntnis zu ihrer Transsexualität, erschien 2010. Stumme Wiesen ist ihr zweiter Roman.
GERGELY PÉTERFY
(Budapest, 31. Oktober 1966)
Gergely Péterfy erwarb sein Diplom als Klassischer Philologe im Fach Latein-Altgriechisch an der ungarischen Universität der Wissenschaften ELTE im Jahr 1993. Er unterrichtete von 1994 bis 2011 an der Philosophischen Fakultät der Universität Miskolc. Zwischen 1998 und 2000 betreute er die monatliche Kultursendung Nyugat (Der Westen) der Fernsehanstalt TV2 als verantwortlicher Leiter und Moderator. Bis 2006 arbeitete er in der Chefredaktion für Kultur des Ungarischen Rundfunks als Gestalter und Moderator der Sendungen. Er publiziert seit 1991 Novellen. Péterfy gehört zu den Gründern des Kulturjournals Törökfürdő, das er seit 1993 herausgab. Zwischen 1995 und 2000 zeichnete er für die Herausgabe der Literaturzeitung Új Holnap in Miskolc verantwortlich.
Sein erster Novellenband erschien 1994. Weitgehende kulturgeschichtliche Kenntnisse und tiefe Menschenkenntnis charakterisieren diese frühen Novellen. Sein erster Roman, Die B-Seite, folgte den Novellen 1998, er erzählt mit autobiographischen Elementen von den Erfahrungen eines Intellektuellen im Budapest der 70-er, 80-er Jahre. Sein Roman, Die Traurigkeit des Feuerwehrhauptmanns, erschien im Jahr 2000. Er stellt das veränderte Menschenbild des Jahrtausendwechsels und die Orientierungssuche eines heranwachsenden jungen Mannes dar. Baggersee, publiziert im Jahr 2004 auf Ungarisch und 2008 auf Deutsch im Verlag Zsolnay in der Übersetzung von Agnes Relle, untersucht innerhalb einer abgeschlossenen Welt die tragikomische Hoffnungslosigkeit des Daseins. Die deutsche Übersetzung feierte bedeutende Erfolge bei den Kritikern. 2006 fertigte Péterfy aus dem Roman unter demselben Titel ein Drehbuch an, aus dem Béla Paczolay einen Fernsehfilm gestaltete, der bei der Ungarischen Filmwoche aufgeführt wurde.
Aus dem Drehbuch zu Die Abenteurer schuf ebenfalls Béla Paczolay einen Kinofilm, der im Jänner 2008 Premiere hatte und den Preis des Erstlingsfilmes erhalten hatte. Das Drama Péterfys, Das Frettchen, das er als Stipendiat des Új Színház, des ungarischen Neuen Theaters, geschrieben hatte, erschien 2000 beim Nyílt Fórum (Offenes Forum) in Pécs, 2003 bearbeitete Tibor Solténszky es zu einem Hörspiel; und im September 2005 führte es das Neue Theater in der Regie Zoltán Bezerédys auf. In 2002 wurde das von Péterfy im Auftrag der Literaturabteilung des Ungarischen Rundfunks geschaffene Märchenspiel Familiensucher als Hörspiel, ebenfalls in der Regie Tibor Solténszkys, aufgeführt. Seine Märchenromane (Das Mischibuch, das Ewige Tal) schreiten in einer magischen Phantasiewelt verspielt dieselben Problemkreise ab, die im Folgenden durch das historische Tableau Tod in Buda (2008) präsentiert wurden. Der Roman, der auf den Begebenheiten um die Befreiung Budas von den Türken um 1868 aufbaut, stellt den Lesern das ästhetisch erlebte Dasein, die Zusammenhänge zwischen den Handlungsmöglichkeiten des Individuums und der Kraft der Geschichte vor. Sein in zehn Jahren entstandenen Roman über die Freundschaft Ferenc Kazinczys und Angelo Solimans, Der ausgestopfte Barbar, beruht auf der Grundlage seiner Dissertation. Der Roman erhielt im Jahr 2015 den angesehenen Literaturpreis Aegon.
Gergely Péterfys Werke
Übersetzungen
Schwarze Messe, in: Ungarn Montag bis Freitag. Hrsg. von György Dalos, Suhrkamp Verlag, 1999.
An der südlichen Brücke, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, München, 1999, 48. Jahrgang, Folge 2, pp 118-123, übersetzt von Julia Schiff)
Die B-Seite (Romanauszug), in: Ostragehege, Heft I /2005 Nr. 37. übersetzt von Julia Schiff
Baggersee (Roman) Übersetzung von Agnes Relle, 2008, Zsolnay Verlag
In ungarischer Sprache
Félelem az egértől - Die Angst vor der Maus(Erzählungen, 1994)
A B oldal - Die B-Seite (Roman, 1998)
A tűzoltóparancsnok szomorúsága - Die Traurigkeit des Feuerwehrhauptmanns (Roman, 2000)
Bányató - Baggersee (Roman, 2004)
Misikönyv - Mischibuch (Märchenroman, 2004-2005)
Halál Budán - Der Tod in Buda (Roman, 2008)
Örök völgy - Ewiges Tal (2012)
Kitömött barbár - Der ausgestopfte Barbar (Roman, 2014)
Seine Filme
Baggersee - Bányató (2006)
Die Abenteurer - Kalandorok (2008)
Ganz Vater - Igazából apa (2010)
Preise, Stipendien
Stipendium Zsigmond Móricz (1994)
Soros-Stipendium (1995)
Stipendium des Fonds der Nationalen Kultur NKA (1997-1999)
Stipendiat als Dramatiker des Neuen Theaters (1999-2000)
Eötvös-Stipendium (2002)
Attila József - Preis (2003)
István Örkény - Stipendium (2004)
Sándor Márai - Preis (2004)
Erster Preis der Ausschreibung „Unsere Muttersprache“ (2004)
Stipendium der Stiftung Preussische Seehandlung (2004)
Tibor Déry - Preis (2009)
Miklós Mészöly - Preis (2010)
Literaturpreis AEGON (2015)
LÁSZLÓ SZILASI
László Szilasi, wurde 1964 in Békéscsaba geboren. Zwischen 1983 und 1989 studierte er an der Universität Szeged, seitdem lehrt er am dortigen Lehrstuhl für ungarische Literaturgeschichte und beschäftigt sich mit der ungarischen Lyrik des 17. Jahrhunderts sowie der Prosa des 19. Jahrhunderts. Als Essayist interessiert ihn die ungarische Literatur des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, als Schriftsteller schöpft er seine Inspirationen aus dem heutigen Leben in der ungarischen Provinz und der osteuropäischen Geschichte.
FERENC BARNÁS
Ferenc Barnás wurde 1959 in Debrecen geboren. Er studierte Literatur und Ästhetik in Debrecen, Budapest und München, unterrichtete an verschiedenen Gymnasien sowie an der Budapester Universität. Er lebt und arbeitet in Budapest. Seine Werke sind in mehrere Sprachen übersetzt worden und wurden in Ungarn vielfach ausgezeichnet, im deutschen Sprachraum gilt es sie noch zu entdecken.
MARIANNA D. BIRNBAUM
Marianna D. Birnbaum ist eine in den USA lebende ungarnstämmige Literatur- und Kulturhistorikerin. Sie ist Research Professor an der University of California, Los Angeles (UCLA). Bisher sind vierzehn Bücher und über hundert wissenschaftliche Abhandlungen von ihr erschienen. Ihr Wissenschaftsfeld ist die mitteleuropäische Kultur, vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sie schreibt vor allem in englischer Sprache, doch sind viele ihrer Arbeiten auch in andere Sprachen übersetzt wurden (ins Portugiesische, Kroatische, Französische, Türkische und Ungarische).
PÉTER ESTERHÁZY
Péter Esterházy, der international bekannteste Schriftsteller Ungarns, wurde 1950 in Budapest als Sohn einer alten ungarischen Adelsfamilie geboren. Das kommunistische Regime hat die Familie enteignet und 1951 zwangsumgesiedelt. Nach der Matura schloss er an der Budapester Universität ein Studium der Mathematik ab und arbeitete (1974-1978) als EDV-Fachmann. Nach einer Reihe von eindrucksvollen Romanen erschien 2010 sein Hauptwerk, die Familienchronik „Harmonia Caelestis“. Er erhielt zahlreiche nationale und internationale Preise und Ehrungen, u. a. 2004 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine Bücher sind in nahezu alle Weltsprachen übersetzt.
Auf Deutsch erschienen zuletzt
Kleine Pornographie Ungarns, Berlin, 2o14
Esti, Hanser Berlin, 2o13
Ein Produktionsroman, Berlin, 2o1o
Keine Kunst, Berlin, 2o1o
GYÖRGY KONRÁD
György Konrád, 1933 in Debrecen geboren, überlebte den ungarischen Holocaust als Kind in Budapest. Als führender intellektueller Regimegegner wurde er als Student, Stadtsoziologe und Schriftsteller vom kommunistischen Regime stets verfolgt und mit Reise- und Publikationsverbot belegt. Er zählte vor der Wende zu den auch weltweit angesehenen Regimekritikern. Seine Romane und Essaybände wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er war 1990-1993 Präsident des Internationalen PEN und 1997-2003 Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Er ist Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (1991) und des Internationalen Karlspreises zu Aachen (2001).
Konrad ist einer der schärfsten Kritiker der Regierung Orbán seit 2010.
Auf Deutsch erschienen zuletzt:
Europa und die Nationalstaaten, Suhrkamp, 2o13
Über Juden, Suhrkamp, 2o12
Das Buch Kalligaro, Suhrkamp, 2o12
Das Pendel, Suhrkamp, 2o11
ISTVÁN KERÉKGYÁRTÓ
wurde 1953 in Kaposvár geboren. Er studierte Jura und Philosophie, war Dozent an der Universität, Beamter und Geschäftsmann. Mit siebenundvierzig Jahren kehrte erseinem bisherigen Leben den Rücken und begann zu schreiben. “rückwärts” ist sein vierter Roman.
IVÁN SÁNDOR
geboren 1930, gehört zu den renommiertesten ungarischen Schriftstellern. Ab 1957 journalistische Tätigkeit. Verfasser von dreizehn Romanen und zahlreichen Essays. Wurde mit wichtigen ungarischen Literaturpreisen geehrt. Zwei Bücher sind auf Deutsch (sowie auf Franzözisch und Englisch) erschienen: Geliebte Liv (2006, dtv) und Spurensuche (2009, dtv).
JÚLIA LÁNGH
(1942) war in Budapest Lehrerin für Ungarisch und Französisch, Buchpropagandistin (heute würde man PR-Fachfrau sagen), Hortlehrerin und literarische Übersetzerin. In Paris (1977–1984) arbeitete sie als Zeitungsausträgerin, Hilfsarbeiterin auf dem Bau, Babysitterin, Sozialarbeiterin für Straßenkinder sowie Berichterstatterin für Radio Free Europe. Bei diesem Sender war sie dann 1984–1994 in München als Redakteurin und Moderatorin tätig. In einem nigerischen Buschdorf arbeitete sie 1994/95 als Kindergärtnerin, in der Hauptstadt des Tschad lehrte sie Herstellung von Rundfunksendungen. Seit 1995 lebt sie wieder in Ungarn, beim Verlag Magvető sind bislang vier Romane von ihr erschienen.
GYÖRGY SPIRÓ
György Spiró, geboren 1946 in Budapest, ist einer der erfolgreichsten ungarischen Dramatiker und zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellern Ungarns. Seine zwei Dutzend sozialkritischen Dramen und hintergründigen Komödien waren große Publikumserfolge im In- und Ausland.
Zugleich ist Spiró, bis vor Kurzem Professor für Literatur an der Budapester Eötvös Loránd Universität, auch als Autor beachtlicher Romane und Novellen hoch angesehen. Mit vielen Literatur und Theaterpreisen ausgezeichnet, gilt Spiró, der Romancier und Dramatiker, Theaterdirektor und Literaturwissenschaftler, Hörspielautor und Kritiker, als eine universelle Ausnahmefigur im ungarischen Kulturleben. Die ersten und bisher einzigen deutschsprachigen Übersetzungen seiner Werke erschienen 2012 („Der Verruf“) und 2013 („Träume und Spuren“) beim Nischen Verlag.
LAJOS PARTI NAGY
geb.1953, lebt als freier Schriftsteller in Budapest. Er hat bisher in Ungarn siebzehn Bücher, Gedichte, Novellen, Romane und Dramen veröffentlicht. Sein Roman Meines Helden Platz erschien 2005 im Verlag Luchterhand auf Deutsch. Seine Theaterstücke, Paraphrasen und Dramenübersetzungen werden regelmäßig aufgeführt.